Lexikon
Künstlerkolonien in den Niederlanden

Die Niederlande konnten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Künstlerkolonien, bereits auf eine reiche Tradition der Landschaftskunst zurückblicken: Stimmungsvolle und realistische Naturbilder bestimmten schon im 17. Jahrhundert die Kunst der nördlichen Niederlande. So kann es nicht verwundern, dass gerade in Holland die Errungenschaften des französischen Pleinairismus, die sich in der Schule von Barbizon offenbart hatten, auf äußerst fruchtbaren Boden fielen. Es entstanden hier besonders viele Künstlerkolonien, die auch noch zu Zeiten des Expressionismus wirksam blieben.
An erster Stelle stehen die Haager Schule mit ihren reizvollen Landschaftsstücken und die Larener Schule, die bereits das "holländische Barbizon" genannt worden ist, doch auch andernorts kam es zu vergleichbaren und bedeutenden Zusammenschlüssen von Künstlern: Die Dörfchen Oosterbeek und Wolfheze in Geldern hatten zahlreiche Maler zu im Wortsinne zauberhaft erscheinenden, waldigen Landschaftsbildern inspiriert, allen voran den noch der Romantik verpflichteten Johannes Bilders, daneben dessen Sohn Gerard Bilders, Anton Mauve und die Gebrüder Maris (Jacob Hendricus Maris, Willem Maris und Matthijs Maris), die später zur Haager Schule rechnen sollten. Im waldigen Gelderland liegt auch Nunspeet, wo sich bald ebenfalls viele Künstler zusammenfanden. Das Dörfchen Noorden in Südholland nahe Nieuwkoop reizte in den 1880er Jahren unter anderem Willem Roelofs und Johan Henrik Weissenbruch zu malerischen Pleinairlandschaften in gedämpfter Farbigkeit und bedrückenden Lichtstimmungen. Etwas größer als Noorden war Kortenhoef, wo sich ebenfalls eine Künstlerkolonie angesiedelt hatte. Auch in Katwijk in Südholland an der Nordsee, das schon im 17. Jahrhundert Landschaftsmaler angezogen hatte, arbeiteten um den Jahrhundertwechsel viele Maler vor allem in einem impressionistischen Stil, darunter Bernardus Johannes Blommers, Willy Sluiter, auch Max Liebermann und der bedeutende Symbolist Jan Toorop.
Wegweisende Werke kamen auch aus der Künstlerkolonie Domburg an der Nordseeküste, wo etwa Jan Toorop und Piet Mondrian im Stil des sich aus Postimpressionismus, van Gogh-Rezeption und Symbolismus speisenden niederländischen Luminismus arbeiteten.
Berühmtheit erlangte ferner die "Bergense School", die sich zwischen etwa 1915 und 1925 im nordholländischen Bergen formiert hatte. Die "Bergense School" wurde zu einem festen kunsthistorischen Begriff, und ihre Mitglieder - darunter Else Berg, Arnout Colnot, Leo Gestel, Charley Toorop, Matthieu Wiegman und Piet Wiegman - zeichnen sich durch einen expressiven, dunkelfarbigen Stil aus. Die Pleinairlandschaft spielte hier keine große Rolle mehr, bevorzugt entstanden im Kontext der "Bergense School" ausdrucksstarke Stillleben und kraftvolle figurative Szenen.
Weitere niederländische Dörfer und Städte, die im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zu Anziehungspunkten für Maler wurden, waren Hattem, Heeze, Veere, Spakenburg, Staphorst und Volendam.