Lexikon
Kaltnadelradierung

Die Kaltnadelradierung ist ein grafisches Tiefdruckverfahren, bei der die Linien unter Kraftaufwand direkt in die Druckplatte eingeritzt werden. Stärkere Linien werden erreicht, indem man mit einem Stichel oder einer Radiernadel (auch Moulette und Roulette) unter stärkerem Druck in die Platte ritzt. Bei dieser Kaltverformung des Metalls stellt sich das verdrängte Material zu beiden Seiten der Rillen auf und bildet scharfe Grate. Im Gegensatz zum Kupferstich wird bei der Kaltnadelradierung kein Span entfernt. Anschließend wird die Platte mit Farbe bestrichen und verwischt, wobei der Grat neben der eigentlichen Linie auch Farbe aufnimmt. Der Abdruck der Kaltnadelradierung erfolgt durch starken Druck der Platte auf das Papier, auf dem sich der Strich als erhöhte Farbablagerung darstellt (allerdings weniger stark als beim geätzten Strich). Flächen entstehen aus der Konzentration von vielen verschiedenen Linien, im Gegensatz zur normalen Radierung jedoch nicht durch Ätzung. Der Grat spielt bei der Kaltnadelradierung eine wichtige Rolle. Er nimmt nur etwas Farbe auf, was sich im Druck neben der eigentlichen Linie als samttonige Verschattung zeigt. Dieses Merkmal der Kaltnadelradierung verliert sich nach einigen Drucken, wenn der Grat durch den Druck der Druckerpresse wegbricht bzw. flachgedrückt wird. Daher sind bei Sammlern die ersten Abzüge einer Kaltnadelradierung die beliebtesten. Die Technik der Kaltnadelradierung wurde um 1480 erstmalig eingesetzt. Einen ersten künstlerischen Höhepunkt erreichte sie in den Werken Rembrandts. Im 20. Jahrhundert sind es vor allem Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner, Max Beckmann und Pablo Picasso, die diese Technik meisterhaft einsetzen.