Lexikon
Delfter Schule

Haarlem war in der ersten Jahrhunderthälfte führend in den holländischen Künsten gewesen - im dritten Viertel des 17. Jahrhunderts aber nahm Delft, ein kleines Städtchen nahe Den Haag, einen der ersten Ränge ein. Die Malerei in Delft war von eigenem Charakter: Die Werke zeichnen sich durch eine Betonung der Lokalfarbigkeit mit einer Vorliebe für kühle Blau-Gelb-Akkorde und eine malerische, aber großflächige Gesamtauffassung aus. Anstelle eines dramatischen Hell-Dunkel steht oft ein erhellter Bildraum. Typisch ist auch die nahezu "klassizistische" Ruhe, die Werke der Delfter Schule verströmen: Gezeigt werden Alltagssituationen ohne Überspitzungen der Typen, auch ohne Hektik in den Bewegungen und ohne die andernorts beliebte Überbetonung von Affekten.
Am Beginn der Delfter Malerei steht der mutmaßliche Rembrandt-Schüler Carel Fabritius (1622-54), ein Bahnbrecher, der kurz vor seinem Tod mit dem kleinen "Goldfink" im Mauritshuis sein wohl bemerkenswertestes Bild schuf. Hauptmeister der Delfter Schule ist Jan Vermeer (1632-75), zur Abgrenzung von anderen Trägern dieses Namens "van Delft" genannt), ein im 20. Jahrhundert oft gefälschter Maler, der ein kleines, aber umso bedeutenderes Oeuvre hinterlassen hat. Seine häuslichen Szenen und Porträts, aber auch die "Ansicht von Delft" und die stimmungsvolle "Straße in Delft" zählen zu den Höhepunkten des holländischen Hochbarock. Nach anfänglich im Licht kontrastreicheren und stärker bewegten Gemälden fand Vermeer um 1657 zu seinem Stil, der sich durch die Stilllebenhaftigkeit der Szenen und eine die Intimität betonende Perspektivwahl auszeichnet. Das stimmungsvoll flirrende Licht seiner Bilder wird oft als Indiz für die Verwendung einer Camera Obscura oder anderer optischer Geräte angeführt und trägt maßgeblich zur Wirkkraft der hellen Grundtöne und der von Blau und Gelb beherrschten Lokalfarbigkeit bei. Traditioneller bleibt Pieter de Hooch (1629-84), der einige Jahre in Delft wirkte und im Stil der Delfter Schule zugerechnet werden kann. Im Gegensatz zu Vermeer, dem er sich etwa in der Berliner "Goldwägerin" annähert, betont er oft den Tiefenraum seiner Bilder (auch mittels schachbrettartiger Bodenfliesen und Raumdurchsichten) und beleuchtet die dynamischer aufgefassten Szenen mit stärker ausgeprägten Hell-Dunkel-Kontrasten.